Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Renate Dyck zum Haushaltsentwurf für 2024 in der Ratssitzung vom 19.12.2023. Die Rede wird hier leicht gekürzt wiedergegeben, es gilt das gesprochene Wort.
Anmerkungen Haushalt 2024
Renate Dyck – Vorsitzende SPD-Fraktion – Ratssitzung 19. Dezember 2023
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
eine schwierige Haushaltslage ist zu bewältigen. Der Kämmerer hat uns ein Defizit von rund 13 Mio. für das Jahr 2024 präsentiert. Ein schwer zu verdauender Brocken. Aber für uns bedeutet das, nichts wie ran an die Arbeit. Feststellen, wie ist unser Status? Was ist zu tun? Wo wollen wir hin?
Nach wie vor schleppen wir ein strukturelles Defizit von nahezu 3,8 Millionen Euro mit uns rum (Festgestellt durch die GPA für 2019). Die in den Jahren 2016 und 2017 gemachten Anstrengungen haben lediglich Einsparungen und Streichungen von ca. 1,7 Mio. Euro erbracht. Zu wenig!
Vor diesem Hintergrund gilt es, erneut Ausgaben zu überprüfen. Das haben wir uns für Anfang des kommenden Jahres in der Strategiekommission vorgenommen. Das sollten wir ohne Vorbehalte tun. Eine weitere Möglichkeit ist die Generierung von Einnahmen.
In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 29. 11. hat die Mehrheit des Rates entschieden, die Realsteuersätze auch in diesem Jahr nicht anzuheben. Das ist selbstverständlich zu respektieren. Erinnert sei jedoch daran, die Gewerbesteuer wurde zuletzt im Jahr 2007 vor 16 Jahren – um moderate 10 Punkte erhöht, diesmal sollten es 30 Punkte sein. Damit hätten wir uns immer noch ganz unten in der Skala der Gemeinden des Kreises befunden.
Wir alle wissen, der Gewerbesteuersatz ist nur einer von vielen Faktoren, weshalb ein Unternehmen sich für eine Ansiedlung entscheidet. Schulangebot, Kita-Angebot, Kulturangebot, Serviceleistungen der Wirtschaftsförderung spielen eine mindestens ebenso wichtige Rolle.
Eine Reihe äußerer Faktoren, wie die Schlüsselzuweisungen des Landes oder die Höhe der Kreisumlage bestimmen unsere Haushaltslage. Die Verantwortung für wesentliche Entscheidungen für die Infrastruktur liegt jedoch in diesem Rat. Und da sage ich, da soll sich mal keiner wegducken. Gemeinsam haben wir entschieden, aus dem projektierten Neubau des Lehrschwimmbeckens in Breyell ein Multifunktionsbad entstehen zu lassen. Trotz Fördermittel des Landes wurde es fast doppelt so teuer wie geplant. Hinzu kommen die höheren Betriebskosten, die dieses größere Bad nach sich zieht.
Auch wenn wir uns heute mit einer durchaus problematischen Situation konfrontiert sehen, ist Nettetal keine arme Stadt. Uns droht kein Haushaltssicherungskonzept, das Gespenst unserer Zeit, gegen das viele Kommunen anzukämpfen haben. Unsere Ausgleichsrücklage ist mit mehr als 35 Mio. Euro prall gefüllt. Das darf nicht zu Leichtsinn verführen. Nach den Planzahlen, die der Kämmerer uns vorgelegt hat, ist der Zeitpunkt überschaubar, wann wir bei mageren 3 Mio. Euro gelandet sein werden. Das wäre 2027! Nicht ganz so lange hin. Es täte nicht gut, die Allgemeine Rücklage angreifen zu müssen, die mit 126 Mio. Euro durchaus gut da steht, aber eben entscheidend für unsere Liquidität ist.
Für die Lebensqualität in unserer Stadt wird es essenziell sein, die Infrastruktur zu erhalten. Nettetal ist eine lebens- und liebenswerte Stadt, in der die Menschen gerne wohnen. Unsere Wohngebiete sind attraktiv und nicht zu teuer. Das Angebot an Schulen, Kitas, Generationentreffs ist vielfältig und wird ständig ausgebaut. Unsere Kulturlandschaft kann sich sehen lassen. Neben dem städtischen Angebot gibt es eine Reihe von privaten Initiativen, um die uns andere Städte beneiden. Es ist was los in unserer Stadt. Wir wollen, es soll so bleiben!
Vor dem Hintergrund der vorliegenden Zahlen bedeutet es aber auch, wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen und Standards überprüfen, wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen. Die eingerichtete Strategiekommission hat zur sich zur Aufgabe gemacht, alles auf den Prüfstand zu stellen. Die Ausgaben, ebenso wie die Einnahmen. Ich bin zuversichtlich, dieser Verantwortung werden wir fraktionsübergreifend im Wesentlichen – so wie in den vergangenen Jahren – gerecht werden.
Im letzten Jahr habe ich die Frage aufgeworfen, ob es nicht geboten sei, mal bei Bund und Land vorstellig zu werden und herauszufinden, ob die Fördersumme von mickrigen 2,5 Mio. Euro für die Sanierung der Werner-Jaeger-Halle nicht durch Kulturförder- oder Schulbaumittel aufzustocken sei und ein neuer Antrag geboten wäre. Die Frage steht immer noch! Oder geht es in Berlin und Düsseldorf nur um die ganz große Kultur?
Als in der Corona-Krise die Vorhänge in den Kinos und Theatern wieder hochgingen, hat der Bundespräsident das in einer Rede kommentiert. Erlauben Sie mir, einen Satz daraus zu zitieren “Kunst und Kultur sind für uns unverzichtbar. Sie sind, in einem sehr buchstäblichen Sinn, Lebensmittel.“ Fraktionsübergreifend haben wir das in diesem Rat immer so gesehen. Dafür bin ich dankbar.
Am Freitag letzter Woche haben Schülerinnen und Schüler und Vertreter der Schulleitung bei einer Begehung der politischen Arbeitsgruppe eindringlich darauf hingewiesen, wie sehr ihnen die Aula fehlt und dringend darum gebeten, im Jahr 2025 fertig zu sein, damit endlich wieder eine Abiturfeier und schulische Veranstaltungen dort stattfinden können.
Zwei Punkte sind aus unserer Sicht zu nennen, die unsere Aufmerksamkeit dringend erfordern. Die Einrichtung für wohnungslose Menschen in Kaldenkirchen ist in schweres Wasser geraten. Zurzeit ist nicht klar, wie es dort weitergeht. Es wird händeringend nach einer neuen Leitung gesucht. Vor einigen Jahren haben wir aus Kapazitätsgründen die Trägerschaft in andere Hände gegeben. Das bedeutet nicht, wir haben diese Einrichtung fallen gelassen. Gerade jetzt in der „kalten Jahreszeit“ kommt es darauf an, sie funktionsfähig zu halten und die Menschen, die am dringendsten unserer Hilfe bedürfen, nicht allein zu lassen. Das gilt auch und besonders für die Notschlafstellen, die von uns mitfinanziert werden.
Ähnliche Sorgen haben wir in Bezug die Personalstärke der Streetworker. Eine Stelle ist nicht genug. Nun soll an einigen neuralgischen Plätzen in der Stadt mehr ordnungsbehördlich vorgegangen werden. Das ist sicher nicht verkehrt. Wir merken aber an, viele Menschen, die sich dort aufhalten, brauchen neben rechtlichen Belehrungen oder Verweisen in erster Linie Hilfe. Deshalb ist eine psychosoziale Betreuung von immenser Wichtigkeit. Es geht im Wesentlichen um junge Menschen, die wir nicht durchs Raster fallen lassen dürfen.
Zur Willkommenskultur in unserer Stadt! In den letzten Monaten konnte der Anschein entstehen, diese habe einen Knacks bekommen. Im Zuge der Beschlussfassung zur Belegung der ehemaligen Hauptschule in Kaldenkirchen mit Flüchtlingen haben wir mitunter fremdenfeindliche Töne wahrgenommen. Dem haben wir als Rat durch Beschlussfassungen und eine entsprechend begründete Haltung entgegengewirkt. Da lassen wir uns nicht aus dem Konzept bringen. Zusammen mit vielen Menschen aus dem Bereich der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe, von Vereinen, Schulen, Kirchen und weiterer Einrichtungen stehen wir gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine gute Willkommenskultur.
In der Hoffnung, der Kämmerer möge uns im Laufe des Jahres bessere Zahlen präsentieren können, stimmen wir Haushalt und Stellenplan zu.
Wir bedanken uns bei der Kämmerei, Herrn Grafer, Herrn Kurschildgen, den Mitarbeiterinnen der gesamten Verwaltung und des NetteBetriebes für die Vorbereitung zu einer heute ermöglichten verantwortungsvollen Beschlussfassung, ebenso für die aus unserer Sicht vertrauensvolle Zusammenarbeit im Verlaufe des Jahres.