Ansprache: 30 Jahre Bücherei in Nettetal-Breyell vom 17. Mai 2019, Renate Dyck – Vorsitzende des Ausschusses für Kultur- und Städtepartnerschaften

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

zu Beginn meines kurzen Rückblicks auf die Entstehung der Bücherei, so wie sie
jetzt hier steht, möchte ich eine Art Liebeserklärung abgeben an einen Mann, den ich
heute hier noch gerne gesehen hätte. Seine anwesende Gattin wird mir das – da bin
ich sicher – großzügig nachsehen.
Am heutigen Tage vermisse ich den langjährigen Vorsitzenden des
Kulturausschusses, Walter Karnatz. 25 Jahre lang sind wir kulturpolitisch durch Dick
und Dünn gegangen und ich sehe uns am Tage der Eröffnung noch stolz wie Oskar
in der ersten Reihe sitzen. Wir freuten uns über dieses schöne Gebäude, das wir
politisch gesehen, über die Parteigrenzen hinweg, gemeinsam mit unseren
Fraktionen auf den Weg gebracht hatten.
Wie aber kam es zu dieser für unser heutiges Stadtleben- und Image nicht mehr weg
zu denkenden Einrichtung? Bis 1983 begnügte sich die damals noch junge Stadt
Nettetal mit dem Altgebäude, das früher mal Breyeller Rathaus und alles mögliche
gewesen war und dessen Geschichte soeben von Reinhard Rankers dargestellt
wurde.
Zwei Teilzeitkräfte versahen stundenweise hier Dienst. In Kulturausschuss und Rat
waren wir uns bald einig, so geht das nicht weiter. Die Bücherei muss von einer
hauptamtlichen Bibliothekskraft betreut werden. Die Stelle wurde ausgeschrieben
und wenn ich mich recht entsinne, gingen mehr als 30 Bewerbungen ein. Wir
entschieden uns – Politik entschied mit – für Ulrich Schmitter. Im Februar 1983 trat
er seinen Dienst hier an. Das Büchereileben nahm an Fahrt und Qualität auf. Der
Bestand wurde erweitert, die Öffnungszeiten ebenfalls. Gemeinsam stellen wir nach
36 Jahren fest: Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Wir entschieden uns
für Herrn Schmitter und Herr Schmitter sich für uns. Beide haben wir das nie bereut.
Die freie Hand, die dem neuen Bibliothekar gelassen wurde, hat sich ausgezahlt. Die
Ausleihzahlen stiegen, eine attraktive Programmplanung zieht sich bis heute durch
die Erfolgsgeschichte dieses Hauses.
Die Folge dieser Personalentscheidung war, jetzt brauchen wir mehr Platz. Was tun?
Angesichts der ersten Sparwelle, die 1984 die Kommunen einholte, eine schwierig zu
beantwortende Frage. Im Finanzausschuss saßen wir und blätterten Seite für Seite
des Haushaltes durch, eifrig nach Einsparmöglichkeiten suchend. Walter Karnatz und
ich waren uns fraktionsübergreifend immer einig „An den Kulturhaushalt geht uns
keiner dran“. Gott sei dank hatten wir die Rückendeckung von Bürgermeister Reulen.

Mutig und vielleicht ein wenig tollkühn wurde im Kulturausschuss im Juni 1984
beschlossen, wir wollen in den Haushalt 1985 Planungskosten für die Erweiterung
der Bücherei einsetzen. Ein moderner Anbau sollte her, mit viel Licht und Glas,
zurückhaltender Möblierung, denn die Hauptakteure sollten die Bücher sein. Die
heute gängigen Medien, gab es noch nicht, jedenfalls nicht in dem Maße.
Schnell hatte Planungsdezernent Helmut Hormes eine Vorstellung, wie die Ideen, die
durchaus seinen Geschmack trafen, umzusetzen wären. Aber die Breyeller waren
zunächst „not amused“. Mußte doch der kleine Spielplatz hinter dem alten Rathaus
dem Neubau weichen.
Der endgültige Ratsbeschluss für den Neubau fiel in der Ratssitzung am 10. Februar
1987. Im Frühjahr wurde ein Nachtragshaushalt vorgelegt, Defizit eine halbe Mio.
DM. Zwei kleinere Fraktionen bekamen Fracksausen und wollten den Neubau
abblasen. CDU und SPD blieben bei dem einmal gefassten Beschluss.
Es wurde weiter geplant. 3,12 Mio. DM waren veranschlagt. Über ein
Förderprogramm des Landes NRW lag uns ein Bewilligungsbescheid von 50 Prozent
vor.

Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben und eine Jury bestimmt.
Herausforderung war, Neues mit Altem zu verbinden, ein Denkmal mit einem
Neubau. Deshalb war immer der Landeskonservator Herr Dr. Stevens mit im Boot.
Am 23. Januar 1987 entschied sich das Preisgericht aus 32 eingereichten Arbeiten
für den Entwurf Nr. 7378 des Architekten van Lom aus Köln, der hier verwirklicht ist.
Der Tag der Entscheidung war ein Freitag, eigentlich ein Samstag. Zog sich doch die
Entscheidungsfindung von Freitagmorgen bis in die Nach zum Samstag hin. Die
Mitarbeiterinnen von Herrn Hormes mußten jede Stellungnahme des Preisgerichtes
zu jedem Entwurf in die Maschine tippen. Gegen Mitternacht lagen die Nerven ganz
schön blank. Es gab sieben Punkte, die den Architekten vorgegeben und die auf
jeden Fall zu berücksichtigen waren. Zu allen 32 eingereichten Entwürfen mußten wir
zu diesen sieben Punkten jeweils unsere schriftliche Stellungnahme in einer
vorgefertigten Matrix abgeben. Vor der Vorstellung jeden Entwurfes wurde das
geforderte Modell feierlich hereingetragen und enthüllt sowie der dazu gehörende,
versiegelte Umschlag mit den Beschreibungen, geöffnet. Dann gingen wir um den
riesigen Tisch im technischen Rathaus herum, begutachteten es von allen Seiten
und gaben schriftlich die Stellungnahme ab. Spannender ging es kaum.
Der Tag verging, der Abend kam, aber Johnny Walker kam nicht. Zwischen 1 und 2
Uhr morgens war die Arbeit getan und das Architekturbüro van Lom war der Sieger
des Wettbewerbs. Das war Hormes Favorit, aber das durfte er uns ja vorher nicht
sagen.

Nach diesem aufregenden Tag ging die Arbeit für Architekturbüro, Planungs- und
Kulturdezernat sowie Büchereileiter richtig los. Baubeginn war Anfang 1988 Der
Kulturausschuss als „politisches Backoffice“ war immer und zu jeder Zeit in die
einzelnen Schritte mit einbezogen.
Gerne erinnern sich viele der Mitwirkenden an die Reise Anfang 1988 nach
Reutlingen. Dort war erst kürzlich ein ähnliches Gebäude eröffnet worden und wir
sollten uns gemeinsam die Inneneinrichtung ansehen.
Große Entourage ging auf Tour: Kultur- und Planungsdezernent Dr. Christoph Fritz
und Helmut Hormes waren dabei, Büchereileiter Ulrich Schmitter, Kulturamtsleiter,
Heinz Lanser, Planungs- und Bauamtsleiter Herr Engels und Herr Wesch sowie
Kulturausschussvorsitzender und Stellvertreterin. Zu Hause blieb Herr Theven, denn
einer mußte ja im „Laden“ sein. Die Reise, auf sparsamem Niveau mit Privat PKWS,
am Wochenende nach Dienstschluss und einer Übernachtung in bescheidenem
Hotel, die Herren im Doppelzimmer, hat sich gelohnt.
Ein Blick auf geplanten Zeit- und Kostenrahmen bescheinigt uns, „Punktlandung“.
Geplanter Eröffnungstermin März 1989, tatsächlich 19. Mai 1989, Mit rund 200.000
DM wurden die veranschlagten 3,12 Mio. DM leicht überschritten.
Kleine Anekdote am Rande: Beim Betreten des Gebäudes kam bei einigen
Besuchern Irritation auf. Blaue Träger und noch nicht mal verputzt. „Wie süht
dat dann ut?“. Aber schön war es doch!
Selbstverständlich verloren wir die Folgekosten nicht aus dem Auge. Mehr Personal,
mehr Energieaufwand, mehr Medieneinheiten etc. kriegt man nicht zum Nulltarif.
Schweren Herzens entschieden wir uns, die Zuschüsse für die Borromäusbüchereien
zu streichen und später aus der Bedienung mit dem Kreisbüchereibus auszusteigen.
Die Zweigstelle in Kaldenkirchen sollte erhalten bleiben und das ist erklärter Wille bis
auf den heutigen Tag.

Lange konnten wir uns aller Spardiktate und der gestiegenen Folgekosten zum Trotz
gegen die Einführung von Lesegebühren wehren. 1994 half alles nichts mehr. Sie
wurden eingeführt und mit zunächst 12,– DM im Jahr fielen sie denkbar niedrig aus.
Die in einer durchaus ideologisch zu nennenden Diskussion geäußerte Befürchtung,
die Ausleihzahlen könnten sich rückläufig entwickeln, traf nicht ein. Bis heute erfreut
sich die Bücherei eines großen Zuspruchs, sogar Babys wollen seit einigen Jahren
schon hier hin.
Seit fast 15 Jahren hat sich das System der Lesepatinnen etabliert. Dafür sind wir
besonders dankbar. Die Lesepatinnen gehen regelmäßig in die Kindertagesstätten
oder mit der „Montagsbücherei“ und dem Bilderbuchkino manchmal „on Tour“.

Diesen Frauen, die unermüdlich auf diese Weise für das Lesen und damit für die
Bücherei werben, gilt ein besonderes Dankeschön.
Ein Stichwort ist mir noch in den Sinn gekommen. Die Artothek. Es gibt sie nach wie
vor im Hause. Was ist das? Mitte der 80er Jahre war das eine Idee, den Bürgerinnen
und Bürgern Kunstwerke zum Ausleihen anzubieten. Diese Artothek wurde hier
angesiedelt, mit angekauften Werken heimischer Künstler bestückt bzw. wurden
diese gebeten, Werke leihweise zur Verfügung zu stellen. Gute Idee, aber
Pustekuchen. Der Niederrheiner an sich ist da sehr eigen. Was ihm nicht gehört,
hängt er sich nicht an die Wand oder „wat nix kost, is och nix“. Geblieben ist das
Hinweisschild unten im Eingangsbereich.
Einige Jahre lang war das Haus Heimstatt für das „Theater unterm Dach“. Es wurde
hier gegründet und daher auch der Name. Einige von uns erinnern sich noch an die
eindrucksvolle Aufführung „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert mit Jürgen
Hühnerbein als Hauptdarsteller.
Wunderbare Veranstaltungen, Lesungen, Verleihung des Nettetaler Literaturpreises,
Hoeke und Pauly usw. konnten wir erleben.
Die Arbeit an und mit der Bücherei hört nicht auf. In nächster Zeit wird die
Verschattung am Veranstaltungsraum angebracht, der Eingangsbereich wird
umgestaltet, die Sanitäranlagen sind bereits erneuert. Und vielleicht gibt es nach 30
Jahren die Möglichkeit, die Statik im Altgebäude so aufzurüsten, dass eine Nutzung
des Dachgeschosses für Lesungen und kleinere Veranstaltungen ermöglicht werden
kann.
Dank sei dem Verein „Nettetaler Literaturtage“, der hier beheimatet ist und uns immer
wieder literarische Glanzpunkte oder einfach gute Unterhaltung präsentiert.
Dem ganzen Team der Bücherei gebührt ein dickes Dankeschön für ungebrochenes
Engagement für dieses Haus mit all seinen wunderbaren Facetten.

Danke an:
Ulrich Schmitter,
Birgit Mager,
Tanja Azeug
Carola Franken
Andrea Küppers-Hermsen
Monika Sampers
und dem Bufdi Hendrik Volkmer

Einschließen möchte ich Frau Thelen-Fledddermann, die am Anfang das System der
Lesepatinnen wesentlich aufgebaut und betreut hat.
Ein Geschenk habe ich mitgebracht „Heimat und Macht“.

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